Zwischen Achtung und Ächtung

Text von Svenja Schnepel

Matinee-Konzert von „Musica Libera“ im Münchner Künstlerhaus

Am zweiten Adventssonntag luden die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und die Thomas-Dehler-Stiftung zu einem vorweihnachtlichen Matinee-Konzert des Stiftungsensembles „Musica Libera“ ins Münchner Künstlerhaus ein.

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Während Musik in der Politik einen ungemein starken Förderer zu finden vermag, kann sie auch den rigorosen Schranken politischer Zensur zum Opfer fallen. Ihre emotionale Wirkmächtigkeit eignet sich zum einen wunderbar zur politischen Instrumentalisierung, birgt aber auf der anderen Seite großes aufrührerisches Gefahrenpotenzial. Das Pendel kann gerade im Rahmen ideologischer Divergenzen, weitgreifender Progressivität oder nationalistischer wie rassistischer Stigmatisierung rasch von Achtung zu Ächtung umschwenken – mit fatalen Folgen für die Musikschaffenden. Neben Institutionen politischer, musikalischer und wirtschaftlicher Art wie dem Rundfunk als Publikationsorgan oder Komponistenvereinigungen und Künstleragenturen spielt auch die Zensur durch den Zeitgeist eine bedeutsame Rolle: Öffentlicher Druck sowie Publikumseklats und tumultartige Proteste des Auditoriums erzwingen zuweilen Anpassungen der musikalischen Werke. Die Komponisten befinden sich somit in einem Balanceakt zwischen Anpassung an Systemmechanismen und innovativ-freiheitlicher Schaffenskraft. Dieser Balanceakt spiegelt sich in der Wahl von Kompositionstechniken und -sujets wider, wobei sich nicht selten auch das Mittel der Ironie als Schlupfloch auftut. Diesem Spannungsverhältnis zwischen Politik und Musik widmete sich das Ensemble „Musica Libera“ der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit am 10. Dezember in München.

Den Auftakt machte der unter den Repressionen der Restauration wirkende Ludwig van Beethoven mit der Arie „O wär ich schon mit dir vereint“ aus seiner Oper „Fidelio“, gesungen von Lea Ostgathe. Es folgten „Fünf Stücke für zwei Violinen und Klavier“ von Dmitri Schostakowitsch, dem Komponisten, der hochgelobter Repräsentant sowjetischer Musik und gelisteter Regime-Gegner war. Seine inneren Kämpfe vertraute er seiner Musik an – teils mit kryptisch-ironischen Kompositionstechniken. Die folgenden beiden Komponisten erlangten vor allem als ernannte Vertreter der sozialistischen DDR Bekanntheit. Die dargebotenen Werke stammen jedoch ursprünglich aus dem Jahr 1928 (Paul Dessau: Lustige Variationen über ein deutsches Volkslied „Hab mein‘ Wagen vollgeladen“) und von 1937, einem Jahr vor der amerikanischen Emigration des Juden und Kommunisten Hanns Eisler (Hanns Eisler: Römische Kantate für eine Frauenstimme, 2 Klarinetten in B, Viola und Violoncello). Auch Darius Milhaud floh aus seiner französischen Heimat Marseille, um seine Musik unterschiedlichster Stilrichtungen in den USA ohne das Stigma der „Entartung“ leben zu können. Dargeboten wurde die Suite op. 157b für Violine, Klarinette und Klavier. Der erste Teil des Konzertes endete mit bewegenden Zeugnissen brieflicher und musikalischer Art von Ilse Weber, einer im Konzentrationslager Auschwitz ermordeten österreichischen Germanistin und Romanistin. Einige ihrer im Lager Theresienstadt komponierten Lieder wie „Und der Regen rinnt“ oder das Wiegenlied „Wiegala“ konnten gerettet werden und ließen die Musikerinnen sowie das Auditorium im Künstlerhaus eine menschliche Tiefe zwischen Trauer und Hoffnung spüren.

Der erste Komponist der zweiten Hälfte des Konzerts, Felix Mendelssohn-Bartholdy, sah sich Zeit seines Lebens antisemitischen Angriffen sowie Kritik aus konservativen Kreisen an seiner zu „exotischen“, zu „modernen“ und zu wenig „deutschen“ Musik ausgesetzt. Von ihm erklang das Konzertstück op. 114 Nr. 2 d-Moll für zwei Klarinetten und Klavier. Der 1874 in Kyjiw geborene Komponist Reinholde Moritsevich Glière hatte mit ähnlicher Raffinesse wie Schostakowitsch den Drahtseilakt zwischen der Anpassung an die rigiden Vorstellungen der sowjetischen Kulturideologie und eigener künstlerischer Entfaltung zu meistern. Aus seinen Acht Duetten für Violine und Violoncello op. 39 erklang eine Auswahl, die von melancholischer Rührung bis zu tänzerischem Esprit reichte. Zum Abschluss entführte Sibylla Elsing das Publikum mit den Arien „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ und „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ von Robert Stolz beschwingt in die „Silberne Ära“ der Wiener Operette nach der Jahrhundertwende.

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Mit den weihnachtlichen Klängen von Mendelssohns „Hark! The herald angels sing“ reagierte das Ensemble, bestehend aus Lea Ostgathe (Sopran), Sibylla Elsing (Sopran), Sonja Kowollik (Klavier), Friederike Wendt (Violine), Carolin Susanna Herrmann (Violine), Thu-An Duong (Violine), Svenja Schnepel (Viola), Oliwia Meiser (Violoncello), Shelly Ezra (Klarinette), Nadia Hashemi (Klarinette) und Marit Jourdan (Fagott) auf den herzlichen Applaus des Publikums. Hannah Lehmann moderierte das Konzert und setzte die einzelnen Stücke in einen Kontext. Abgerundet wurde das vielfältige Programm „unerhörter“ Klänge mit einer Einladung zum geselligen Beisammensein im Rahmen eines kleinen kulinarischen Empfangs.

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v. l. n. r. Thu-An Duong, Oliwia Meiser, Sonja Kowollik, Svenja Schnepel, Shelly Ezra, Marit Jourdan, Friederike Wendt, Hannah Lehmann, Carolin Susanna Herrmann, Lea Ostgathe, Sibylla Elsing, Nadia Hashemi
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